Sonntag, 26. August 2012

Kurz vor knapp



Ein mulmiges Gefühl macht sich in mir breit. Es ist so ein wenig wie frisch verliebt sein, nur nicht so weggebeamt. Noch 9 Tage, sagt der liebevollbeängstigende Countdown auf unserer Blogseite. Ich fühle mich ein klitzekleines bisschen unter Druck gesetzt. Die Vorräte schwinden, es gibt nur noch eine jämmerliche Kalenderseite zum umblättern, der Körper ist vollgeimpft mit Antikörpern, die einem gefälligst alles Üble vom Hals halten sollen, und wenn nicht, dann dürfte die Luxusreiseapotheke, die im Übrigen den halben Rucksack einnehmen wird, hoffentlich ihr bestes geben. Alle nötigen Visa sind gestempelt, bürokratische Monster, wie die Steuer, Kranken-, Renten- und sonstige Versicherungen, wurden erlegt und bis nächstes Jahr im Schrank verstaut, beim Spiel „Länderumrisse erraten“ hätte Stefan Raab keine Chance mehr gegen mich, aber der Kopf, der will sich noch nicht so recht drauf einlassen.

Eifrig mache ich das, was ich auf der Reise tunlichst nicht tun will, nämlich Sorgen und Gedanken über allerhand Themen machen, die sich wahrscheinlich sowieso von alleine erledigen und den gewohnten Alltag, die Arbeit und das Drumherum betreffen. Ich räume wie wild die Wohnung um, aus, wieder ein und dann wieder zurück, um möglichst aufgeräumt und klar im Kopf zu verreisen. Was´n Irrsinn. Das deutsche Hirn denkt nämlich jetzt schon an allerhand Gegebenheiten und Erledigungen nach der Reise. Aber ich bring es einfach nicht über mein Spießerherz hier alles stehen und liegen zu lassen. Also wird bis zum letzten heimischen Tag die To-Do-Liste täglich erneuert, auf Aktualität überprüft und abgehakt. Gewissenhaft wurden alle nötigen Arzttermine erfüllt und für den Mai 2013 schon neue vereinbart. Was soll ich sagen, man hat sich selbst gegenüber ja auch eine gewisse Verantwortung und möchte sich bei Zahnschmerzen im Dschungel von Burma nicht selbst vorwerfen müssen, die Zähne nicht lupenrein durchleuchtet zu haben. Nachdem ich das alles so wunderbar durchdacht und zusammengefasst habe, nehme ich mir für die nächsten 7 Monate logischerweise genau das Gegenteil vor: Alles wunderbar spontan und verrückt auf mich zukommen lassen (vor allem was der Dani so geplant hat ;-). Aber auch das bisschen Hab und Gut, das wir in unsere Rucksäcke stopfen müssen, wird einiges an Spontanität und Kreativität verlangen.

Schon jetzt gibt mir der neu erworbene 45-Liter Trekkingrucksack aber das Gefühl einer meiner besten Freunde zu sein. Er steht allzeit bereit neben dem Schrank und flüstert mir Tag für Tag entgegen: Bald ist`s soweit. Ich stelle mich schon jetzt auf eine Hassliebe ein. Einerseits trägt er für mich alles in sich, was ich für ca. sieben Monate zum Leben brauche, andererseits trage ich mein kleines mitgebrachtes Leben für Monate in ihm auf meinem Rücken. Schon jetzt diskutiere ich wie wild mit ihm, was in seinem und meinem Inneren nicht fehlen darf oder was vollkommen überflüssig ist und abgeschüttelt werden muss. Und was soll ich sagen, etliche Packversuch bestätigen meine schlimmsten Vermutungen, dass das Wort wenig bei weitem untertrieben ist. Danis Vorhaben alles einzeln zu wiegen, um dann am Schluss (in seinen Worten) „optimieren zu können“, steht für mich nicht zur Debatte. In meinen Worten gibt’s da nix zu optimieren. Wer mir nicht 100% garantieren kann, dass ich immer ne saubere Unterhose zur Verfügung habe, der hat nix zu melden. Die Buxe wird auf keinen Fall beidseitig getragen, soviel steht fest.

Zum Schluss haben wir nach der gestrigen Abschiedsparty noch ein ganz besonderes Anliegen. Wir bedanken uns nämlich, bis in den Himmel, wieder zurück und noch viel weiter, bei all den lieben Menschen, die am gestrigen Nachmittag und Abend in Echt oder in Gedanken so schön mit uns gefeiert haben. Es tut gut, nochmal kräftig Familien- und Freundezeit aufzutanken und sie im emotionalen Rucksack stetig bei sich zu tragen. Was soll ich sagen, „Isch könnt heule vor Glück“. Nein im Ernst, das alles bedeutet uns über die Maßen unbeschreiblich viel und kann hier nicht einfach so lapidar runter gekritzelt werden.

Ihr seid wundervoll.

Tausend Dank

1 Kommentar:

  1. Hui, noch geschafft vor der Abreise: Viel Glück für die nächsten 7 Monate. Ich liebe dieses Prickeln vor der Reise, genauso wie das Kribbeln auf der Reise und das Kribbeln nach der Reise;-)

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