Mittwoch, 23. Mai 2012

Ich kann Fliegen nicht leiden

Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass wenn man eine Weltreise plant, der Teil mit dem Fliegen einen nicht unerheblichen Stellenwert einnimmt. 16 Flüge sind kein Pappenstiel. Das Fliegen verleiht einem normalerweise ein durchaus aufregendes Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Auch ich bin jemand, dem schon ein Besuch des Flughafens Schmetterlinge im Bauch rumflattern lässt. Trotzdem kann ich fliegen nicht leiden, und das hat Gründe.

Da wäre zum einen ein Flug nach Atlanta, bei dem nach ca. einer Stunde in der Luft das rechte Triebwerk in Flammen aufging. Ich saß vorzugsweise am beliebten Fensterplatz auf selbiger Seite. Mutti links neben mir. Ich höre sie heute noch in Schockstarre rufen: „Kind, ich hab mein Testament nicht gemacht“. Hätte ich zu jenem Zeitpunkt eine linke Hand gehabt, hätte sie mir diese vor Angst sicher zerquetscht. Nichtsdestotrotz: Wir haben überlebt.

Das zweite traumatische Flugerlebnis ist noch nicht all zulange her. Danis und mein Trip nach Asien begann turbulent. Alles fing mit einer mir unbekannten inneren Unruhe an, die sich im Laufe des Abflugtags noch weiter steigern sollte. Nach anstrengender Packszenerie, hektischem Wohnungsputz und ganz durcheinander und gehetzt von den letzten Erledigungen setzte ich mich ins Auto und fuhr zu Danis Eltern, um das Auto dort stehen zu lassen und gemeinsam Richtung Flughafen zu düsen. Plötzlich packte mich diese innere Unruhe, machte sich in mir breit und steigerte sich im Minutentakt. Ich verfiel in eine Art Panikzustand. Die mir auch heute noch unfassbar unkontrollierten, nicht erklärbaren Gefühle entluden sich schlagartig in einem kleinen Heulanfall. Ich muss dazu sagen, dass ich schon häufig geflogen bin und bis dahin und auch heute keine Flugangst hatte oder habe. Dani, sichtlich hilflos, versuchte mich zu beruhigen und herauszufinden, was denn nur los sei. Blöd war nur, dass ich es überhaupt nicht erklären konnte. Außer dem Satz: „Irgendwas stimmt nicht“, brachte ich nichts über die Lippen. Nach ein paar Beruhigungskuscheleinheiten fand ich zu meinem alten Reiseselbstbewusstsein zurück. Abgelenkt durch das gewöhnliche Reisetamtam - haben wir alles? Pässe, Tickets, Zahnbürste, Stirnlampe? - ging es dann endlich los. Aufgrund erheblicher Schneefälle in den vorherigen Tagen und damit verbundenen gestrichenen Fügen, tummelten sich am Flughafen mehr Menschen als ich ertragen konnte. Das Abfluggate glich einem mit Feldbetten übersäten Lager. Gut, dass es nicht mehr schneit, dachte ich, das wird uns nicht passieren. Nach zweistündiger Verspätung sollte es dann um ca. 21 Uhr losgehen. Das Flugzeug wurde noch schnell (relativ zu dem was uns bevorstand) vom Schnee und Eis befreit und los ging es. Nach all der Aufregung war ich erschöpft und freute mich auf unseren Nachtflug. Nachtflüge sind nämlich das geringere Übel. Da ich eine Person bin, die nahezu überall gut schlafen kann, bietet es sich an, die Schlafenszeit mit der Reisezeit zu verrechnen und damit kostbare Tagesurlaubszeit zu sparen. So bin ich ruckzuck eingeschlafen, ohne auch nur annähernd den ersten Flugzeugfilm zu erleben. In der Annahme den ganzen Flug geschlafen zu haben, weckte mich Dani leise auf. Schlaftrunken vernahm ich ein leises Danigemurmel, was einem „ich glaub wir fliegen zurück“ nahekam. Noch ganz benommen schaute ich mich um, um in verärgerte, erstaunte, beängstigte oder was auch immer für Gesichter zu blicken. Nichts von alle dem. Alle um mich herum schliefen ganz entspannt, lasen Zeitung oder saßen einfach nur ruhig da. Ich also leicht verärgert und nunmehr fester Überzeugung, dass Dani mich wohl aufgrund der zuvor erfahrenen Heulattacke veräppeln wollte. Ohne auf den Moment weiter einzugehen, drehte ich den Kopf, zum erneuten Schlafvorgang bereit, wieder zur Seite, als eine, in schlechtem und kaum verständlichen Englisch, leise Durchsage des Kapitäns kam, die uns tatsächlich mitteilte „Wi haf a teknikel probläm“ und dass wir zurückfliegen werden. Ahhhhhhhh, Dejavu.
Ähnlich wie damals meine Mutter, krallte sich nun auch Dani an meiner nicht vorhandenen linken Hand fest. Fünf Minuten konnten wir beide nichts sagen. Meine Vorahnung verursachte übelstes Kopfkino. Drei Stunden waren wir bereits unterwegs, bevor wir um ca. 0:30 Uhr nachts wieder in Frankfurt auf dem Flughafen landeten. Nach einer unglaublich beschissenen Verspätung von 29 Stunden und dem schlechtesten Krisenmanagement der Welt (Air China)sollte es dann in der darauffolgenden Nacht endlich Richtung Beijing und damit in den wohlverdienten Urlaub gehen.

Letztendlich überwiegt aber die Reisevorfreude und das mit dem Fliegen verbundene, wunderschöne Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Die vorher gemachten Erfahrungen erschöpfen hoffentlich mein Flugpech für ein ganzes Leben, so dass statistisch gesehen nicht mehr viel passieren dürfte. Ich verlasse mich daher auf die schon abgehakten Erfahrungen und gehe davon aus, dass da nix nachkommt. Dann lieb ich Fliegen nämlich auch.

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